Wie kann ein einzelnes zerbrochenes Fenster einen ganzen Stadtteil ins Chaos stürzen? Was auf den ersten Blick skurril klingen mag, lässt sich durch den Broken-Window-Effekt erklären. Er bezeichnet nämlich eine Theorie, die zu einer wahren Abwärtsspirale führen kann. Wie es dazu kommen kann und was die Theorie hinter dem Broken-Window-Effekt für die Arbeitswelt bedeutet kann, beschreibt dieser Beitrag.
Die wissenschaftliche Theorie hinter dem Broken-Window-Effekt
Der Broken-Window-Effekt ist ein Begriff aus der Psychologie. Die Theorie besagt, dass schon ein zerbrochenes Fenster ausreichen kann, damit für einen ganzen Stadtteil die Abwärtsspirale in Richtung Chaos, Verwahrlosung und Kriminalität beginnt. Die Begründer der Theorie sind der Kriminologe George L. Kelling und der Politikwissenschaftler und Sozialforscher James Q. Wilson. Sie publizierten die Theorie erstmals im Jahr 1982 in der amerikanischen Zeitschrift „Atlantic Monthly“.
Heute bildet die Theorie die Grundlage für die Nulltoleranzstrategie der Polizei. Diese Theorie hinter dem Broken-Window-Effekt besagt, dass die Polizei schon bei kleinen Verstößen gegen die Ordnung konsequent einschreiten sollte, um Schlimmeres zu verhindern. Man weiß inzwischen aber auch, dass derartige Maßnahmen der Polizei nur dann nachhaltig erfolgreich sein können, wenn sie auch auf Lösungsorientierung und Kooperation setzen. Denn die reine Bekämpfung der Probleme bzw. Symptome, ohne die Ursachen zu ergründen, führt nicht zum langfristigen Erfolg.
Wilson und Kelling beschrieben in ihrem Artikel, dass kleine Schäden, wie eine zerbrochene Fensterscheibe, Menschen dazu anstiften, weitere Schäden in der Umgebung zu produzieren. Menschen glauben dann, dass weitere Verstöße gegen Regeln oder die öffentliche Ordnung ohnehin nicht schlimm sind. Leider spürt man heute in vielen Städten den Broken-Window-Effekt wirklich. Manche Menschen glauben, in der Anonymität der Großstadt können sie ihrer blinden Zerstörungswut folgenlos nachgehen und ihre Umwelt ins Chaos stürzen.
Verschiedene Experimente zum Broken-Window-Effekt
Schon bevor Kelling und Wilson ihre Erkenntnisse zum Broken-Window-Effekt öffentlich publizierten, gab es zahlreiche Experimente dazu. Eines stammt von Philip Zimbardo. Er war Professor für Psychologie an der renommierten Stanford-Universität in den USA.
Ein abgestellter Wagen in der New Yorker Bronx
Für sein Experiment nutzte Philip Zimbardo einen alten Gebrauchtwagen. Er stellte den Wagen in der New Yorker Bronx ab, montierte das Kennzeichen ab und ließ die Motorhaube leicht anheben. Das sollte als Zeichen dienen, dass das Auto einfach abgestellt wurde und von seinen Vorbesitzern nicht mehr benötigt wurde.
Zimbardo stellte das Auto ab und hielt sich in der Nähe des Wagens auf, um zu beobachten, was passiert. Seine Erkenntnisse waren auch für ihn überraschend. Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, bis das Auto Ziel von Vandalismus wurde. Die ersten Vandalen nahmen den Wagen innerhalb von zehn Minuten ins Visier. Sie montierten die Reifen ab und bedienten sich bei den Scheinwerfern und Blinkern. Im weiteren Verlauf wurde das Auto komplett ausgenommen. Alle Teile, die sich nur irgendwie zu Geld machen ließen, wurden gestohlen. Zuletzt wurde das Auto von weiteren Vandalen komplett zerstört und demoliert. Sie schlugen wahllos auf den Wagen ein, bis er kaum mehr als solcher zu erkennen war.
Zimbardo dokumentierte das Chaos in seinem Experiment genau: Er vermerkte 23 Akte der Zerstörung innerhalb von zwei Tagen.

Die Wiederholung des Experiments an der amerikanischen Westküste
Professor Zimbardo war neugierig, wie das Experiment an einem anderen Standort verlaufen würde. Schließlich war die New Yorker Bronx bekannt für Chaos, Vandalismus und Zerstörung. Er ließ daher ein weiteres älteres Auto in Palo Alto, einer kleinen Universitätsstadt in Kalifornien abstellen. Dort blieb das kennzeichenlose Auto fünf Tage lang unangetastet. Nach fünf Tagen ließ Zimbardo den Wagen wieder abholen. Dabei wurde er mit der Polizei konfrontiert. Die aufmerksamen Anwohner vermuteten nämlich einen Diebstahl und hatten die Polizei gerufen.
Zimbardo wiederholte sein Experiment in Palo Alto noch ein zweites Mal mit einem anderen Wagen. Dieses Mal stellte er ein völlig demoliertes Auto in der gleichen Gegend ab. Dieses Mal lief das Experiment aber anders ab als beim ersten Mal. Das Chaos nahm seinen Lauf und das Auto wurde innerhalb weniger Stunden geplündert und demoliert. Denn Chaos zieht weiteres Chaos nach sich.
Ein Experiment aus den Niederlanden
Der Broken-Window-Effekt beschäftigt immer wieder Forscher auf der ganzen Welt. Ein Experiment aus den Niederlanden hatte etwa einen Briefkasten als Objekt. Aus dem Briefkasten ragte ein Briefumschlag mit Geld heraus. Wie Passanten darauf reagierten, hing von der Umgebung ab. In einer sauberen Umgebung wurde der Briefumschlag gerade einmal in 13 Prozent der Fälle geklaut. Stand der Briefkasten jedoch in einer dreckigen und verwahrlosten Umgebung mit Graffiti an den Wänden und Müll auf dem Boden, ließ sich ein Viertel der Passanten dazu hinreißen, den Umschlag zu klauen.
Was du aus der Theorie rund um den Broken-Window-Effekt für dein eigenes Leben lernen kannst
Was haben nun demolierte Autos und die New Yorker Bronx mit deinem Leben zu tun? Alles nur Theorie? Nein, du kannst aus dem Broken-Window-Effekt etwas ganz Praktisches für dein eigenes Leben ableiten. Denke zum Beispiel an deinen Schreibtisch im Büro. Ist er immer aufgeräumt oder herrscht dort Chaos? Selbst ein aufgeräumter Schreibtisch kann schnell im Chaos versinken. Stell dir vor, du lässt deine Kaffeetasse dort stehen, dann kommen noch ein paar Post-its hinzu, eine leere Schokoladenverpackung – und im Nu versinkt dein einst so ordentlicher Schreibtisch im Chaos. Räumst du jedoch deinen Schreibtisch sofort wieder auf, bleibt er schön sauber und du kannst dort konzentriert deiner Arbeit nachgehen und deine Aufgaben ungestört erledigen. Chaos erzeugt also mehr Chaos und Ordnung bringt mehr Ordnung.
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