Du kennst den Zeigarnik Effekt nicht?
Doch, da bin ich mir ziemlich sicher. Versuchen wir es mal andersherum: Wenn du an das Wort „Cliffhanger“ denkst, dann verbindest du dieses höchstwahrscheinlich mit einer Folge deiner Lieblingsserie. Ein wahnsinnig spannendes Finale und dann das abrupte Ende. Doch diesen Cliffhanger gibt es nicht nur in der Film- und Serienwelt, sondern auch beim Lernen und im Arbeitsalltag begegnet uns ein psychologisches Phänomen, welches man ebenfalls als die Cliffhanger Methode bezeichnet. Auch bekannt unter dem Zeigarnik Effekt, sorgt dieser dafür, dass dir Aufgaben, welche du nicht abgeschlossen hast, eher im Gedächtnis bleiben als abgeschlossene. Warum das so ist, wieso dich dieses psychologische Phänomen vom Arbeiten abhält und wie du dir das Ganze im Berufsleben zunutze machen kannst, erfährst du jetzt.
Inhaltsübersicht
Die Ursprünge des Zeigarnik Effekts
Das Phänomen ist auf die Wissenschaftlerin Bluma Zeigarnik zurückzuführen. Diese machte während ihres Studiums eine interessante Entdeckung, als sie in einem Restaurant gegessen hatte. Einer der dortigen Kellner konnte sich problemlos alle Speisen merken und diese, ohne sich Notizen zu machen, an die richtigen Kunden verteilen. Als jedoch jeder Kunde seine Speisen bekommen hatte, konnte der Kellner nicht mal mehr sagen, welche Speisen oder Getränke er serviert hatte. Das vorherige detaillierte Wissen schien nach Abschluss der Aufgabe verschwunden zu sein.
Inspiriert von dieser beeindruckenden Beobachtung, begann die Psychologiestudentin daraufhin mit einer Reihe von Experimenten. In der Studie wurde Zeigarniks Beobachtung noch einmal bestätigt. Fast alle Probanden konnten sich die nicht abgeschlossenen Aufgaben deutlich besser merken als die bereits abgeschlossenen. Das Alter, der Bildungsgrad sowie der Stand in der Gesellschaft spielten dabei keine Rolle. Aus diesem Grund ist dieses Phänomen heute bekannt als Zeigarnik oder auch als Cliffhanger Effekt.
Wie funktioniert der Mechanismus?
Der Grund, weshalb du dich eher an unfertige Aufgaben erinnerst, ist auf die emotionale Anspannung zurückzuführen. Diese baut sich bei jedem Menschen auf, wenn er eine relativ komplexe Aufgabe erledigt. Diese Anspannung ist völlig normal und erklärt sich dadurch, dass du dir Möglichkeiten zur Lösung der Aufgabe überlegst und du dir immer wieder den Ablauf vor Augen führst. Die Anspannung ist so lange vorhanden, wie auch die Aufgabe andauert. Aus diesem Grund erinnerst du dich deutlich leichter an eine unvollendete Aufgabe als an eine fertige. Sobald du die Aufgabe abgeschlossen hast, fällt diese Anspannung nun von dir ab und dein Gehirn bekommt signalisiert, dass diese Informationen nun nicht mehr von Belang sind.
Das ist zum einen sehr gut, da dafür gesorgt wird, dass du deine wichtigen Aufgaben nicht vergisst, jedoch kannst du andererseits auch schnell überfordert werden. Zeigarniks Methode dient also quasi als eine Art biologische Methode, welche dich an wichtige Aufgaben erinnern soll. Jedoch ist der Cliffhanger Effekt auch mit einigen Nachteilen verbunden.
Warum dich der Cliffhanger Effekt vom Arbeiten abhält
Wie bereits erwähnt, ist der Cliffhanger Effekt zwar eine effektive und biologische Methode, die dich an bestimmte Aufgaben erinnert, doch das ist nicht immer gut. Denn dieser kann auch dafür sorgen, dass du den Fokus auf das Wesentliche verlierst. Wenn du immer nur daran denkst, welche unzähligen Aufgaben du noch angehen musst, bist du im Nu überfordert und drehst dich im Kreis. Durch dieses Gefühl der Überforderung verlierst du im Anschluss deinen Fokus und kannst nicht mehr die nötige Konzentration aufbringen, um deine Aufgaben effizient zu erledigen.
Anders als bei einer physischen To-do-Liste nimmt deine biologische Liste keine Rücksicht auf deine Prioritäten. Sollte deine Liste also relativ lang sein, jedoch auch viele Aufgaben beinhalten, welche keine hohe Priorität aufweisen, ist das deinem Gehirn jedoch ziemlich egal. Die biologische Liste wird dich regelrecht bombardieren mit unerledigten Aufgaben und somit verhindern, dass du dich irgendwie auf eine Aufgabe konzentrieren kannst. Dies hat zur Folge, dass Zeigarniks Entdeckung hier deutlich demotivierend wirkt.
Damit deine Aufgaben dich nicht erschlagen
Der infra-struktur Tagesplaner hilft dir dabei, deinen Tag besser zu organisieren und deinen Kopf zu entlasten. Du weißt immer, welche Aufgabe als Nächstes ansteht und wirst zum richtigen Zeitpunkt daran erinnert. Und die Aufgaben von nächster Woche können bis nächste Woche warten.
Den Cliffhanger Effekt positiv nutzen
Es gibt jedoch auch eine Möglichkeit, wie du die biologische To-do-Liste als effektive Methode zum Lernen einsetzen und dir die positiven Eigenschaften zunutze machen kannst. Der Schlüssel liegt ganz einfach darin, sich nicht mit einer großen Masse an unfertigen Aufgaben zu überfordern und ein gesundes Mittelmaß zu finden. Wenn du eine überschaubare Anzahl an unfertigen Aufgaben hast, dann kannst du den Effekt erst zu deinem Vorteil nutzen. Denn erst jetzt kannst du effizient alle Aufgaben auf deiner Liste abarbeiten und alle Vorteile von diesem psychologischen Phänomen ausnutzen. So riskierst du nicht, dass du deinen Fokus verlierst und dich von dem Gefühl der Überforderung demotivieren lässt.
Angeblich hat bereits Ernest Hemmingway von diesem psychologischen Phänomen profitiert. So soll er angeblich seine Arbeiten meistens an dem Punkt beendet haben, wo er noch lange weitermachen konnte. So hatte er eine unfertige Aufgabe im Kopf und konnte neue Kreativität sammeln und soll am darauffolgenden Tag noch effizienter geschrieben und gearbeitet haben.
Weitere Möglichkeiten, wie du Zeigarniks Entdeckung besser nutzen kannst
Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, wie du verhinderst, dass die negativen Aspekte dieser biologischen To-do-Liste überwiegen und dich diese in deinem beruflichen Alltag einschränken.
- 9Eine Aufgabe nach der anderen abschließen
- 9Ablenkung in der Umgebung vermeiden oder minimieren
- 9Side-Lists führen und spontane Eingebungen sofort notieren, bestenfalls digital
- 9In Intervallen arbeiten, nicht zu lange am Stück (damit trickst du dein Gehirn aus und gaukelst ihm vor, dass du die Aufgaben abgeschlossen hast)
- 9Nicht gegen den Cliffhanger Effekt ankämpfen
Ein gesundes Mittelmaß finden
Wie du siehst, handelt es sich bei der Entdeckung von Bluma Zeigarnik um ein äußerst interessantes wissenschaftliches und psychologisches Phänomen. Dieses kann zwar viele Nachteile mit sich bringen. Wenn du jedoch weißt, wie du damit umgehen musst, kannst du es auch zu deinem Vorteil nutzen. Vor allem im Berufsleben ist die Cliffhanger Methode äußerst nützlich. Hier gilt es wie bei allem im Leben einfach ein gesundes Mittelmaß zu finden. Wenn dir das gelingt, kannst du von dieser Methode in Zukunft stark profitieren.